Der Aufbau mehrsprachiger Kinderbibliotheken mit aktiver Ausleihe

Bei Mulingula ist sowohl der Aufbau einer umfangreichen Präsenz- als auch einer Ausleihbibliothek vorgesehen. Alle Kinder sollen am Lernort Schule in den klassen- und schuleigenen Bibliotheken Bücher in ihren Familiensprachen wiederfinden. Es ist von großer Bedeutung, dass auch die Kinder mit anderer Erstsprache, für die leider keine Mulingula-Gruppe eingerichtet werden konnte, ihre Muttersprache über Medien und Bücher am Lernort Grundschule wiederfinden können.

Durch die positiven Erfahrungen in den Mulingula-Stunden sind die Kinder äußerst motiviert, sich Bücher auszuleihen und sie zu Hause vorzustellen. So animieren sie ihre Eltern zum Vorlesen. In den Mulingula-Elterncafés betonen die Vorleser*innen die Bedeutsamkeit von Family-Literacy und ermutigen die Eltern zum Vorlesen in der Muttersprache. Unsere Erfahrungen zeigen, dass auch für die Eltern die Wahrnehmung und Aufwertung ihrer Herkunftssprache ein großer Türöffner zum Lernort Schule ist. Sie zeigen sich fast ausnahmslos überaus interessiert an herkunftssprachlicher Kinderliteratur. Sie sind motiviert, sich an der Lesesozialisation ihrer Kinder zu beteiligen. Manchmal bedarf es dazu nur eines kleinen Anstoßes, da die Verunsicherung der Eltern hinsichtlich des Nutzens schriftsprachlicher Aktivitäten in der Familiensprache äußerst groß ist.

Beispiel
Eine türkischstämmige Mutter der dritten Generation betonte, dass sie sich in der Familie bemühen, ausschließlich Deutsch mit den Kindern zu sprechen. Da die Eltern ein einwandfreies Deutsch sprechen, lässt sich aus Spracherwerbssicht nichts dagegen einwenden. Doch das Motiv lag in der Sorge, die Alltagskommunikation auf Türkisch könne den Deutschspracherwerb der Kinder behindern. Diese Entscheidung aber entsprach wegen der engen Verbundenheit mit den türkischsprachigen Großeltern und der Türkei zum einen nicht der Lebenswirklichkeit der Familie und zum anderen wurde hier die Chance einer zweisprachigen Erziehung, die nie zulasten einer Sprache geht, vertan. Es bedarf noch der Aufklärungsarbeit und Ermutigung seitens der Lehrkräfte, die den Eltern eine positive Haltung zur zweisprachigen Erziehung signalisieren. Leider wird immer noch suggeriert, Mehrsprachigkeit sei eine bildungshinderliche Disposition, während Einsprachigkeit den Bildungserfolg befördere.

Konsequenz
Im Rahmen der Mulingula-Aktivitäten spielt die Ausleihe von Büchern in der Erstsprache eine wichtige Rolle. In Kombination mit Elterncafés, die für Family-Literacy-Aktivitäten genutzt werden, wird einer lesefreundlichen Atmosphäre im Elternhaus der Weg gebahnt.

Impressionen in der Melanchthonschule Münster, Fotos: Selma Brand

© Krystyna Strozyk