Professionalisierung des Mulingula-Teams

Die Vorleser*innen, die bei Mulingula tätig sind, haben sehr heterogene eigene Migrations- und Bildungsbiografien. Das Berufsspektrum unserer Vorleser*innen reicht von der russischsprachigen Grundschullehrerin und gelernten Bibliothekarin über Kolleg*innen, die als HSU-Lehrer*innen Kinder in ihrer Herkunftssprache unterrichten, bis hin zu hauptberuflichen Hausfrauen, die sich über die Mulingula-Fortbildungsangebote weitergebildet haben und sich auch autodidaktisch befähigten, einen qualitativ guten Vorleseunterricht zu gestalten.

Die Vorleser*innen arbeiten bei Mulingula nicht ehrenamtlich, sondern auf Honorarbasis. Es ist Ehrensache, dass sie für gute und qualifizierte Arbeit wie alle anderen Beschäftigten am Lernort Schule entlohnt werden. Es finden regelmäßige Teamsitzungen statt, in denen aktuelle Bücher, neue Vorlesemethoden und Medien vom Leitungsteam vorgestellt werden.

Teamtreffen in einer Videokonferenz während des Corona-Lockdowns, Foto: Krystyna Strozyk

Häufig zeigen die Vorleser*innen Best-Practice-Beispiele, von denen alle profitieren. Beeindruckend sind die außergewöhnlichen, kreativen Umsetzungsideen, die auf spezifische kulturelle Prägungen verweisen und in einem homogen deutschsprachigen Team sicher nie entstanden wären, wie z. B. das Video in Abbildung 35 zeigt. Die tamilische Vorleserin Thavam Thamarseelan setzte die Fabel „Der Fuchs und die Trauben“ über ein Schattenspiel, Musik und Gesang eindrucksvoll um.

Thavam Thamarseelan singt, musikalisch begleitet von ihrem Sohn Dilaxan, auf Tamil die Fabel „Der Fuchs und die Trauben“, https://www.mulingula.de/vorlese-videos/tamil.html

Neu hinzugewonnene Vorleser*innen hospitieren in bestehenden Mulingula-Gruppen erfahrener Vorleser*innen. Dabei ist es nicht einmal so wichtig, ob sie derselben Sprachgruppe angehören. Vielmehr geht es darum, die Vorleseatmosphäre, die medialen Arrangements und die Vorlesemethoden kennenzulernen. Ein Austausch über Beobachtungen und Erfahrungen im Anschluss ist ebenso wichtig. Die neue Vorlesekraft muss in erster Linie ein Gespür dafür entwickeln, dass es nicht um die „reine“ Wissensvermittlung eines klassisch tradierten Unterrichts geht, sondern vor allem um eine vertrauensvolle Vorleseatmosphäre, um das genießende Zuhören, die sprachliche Aktivierung der Kinder durch spannende Medien und die Kommunikation über die Vorleseinhalte. Die Vorleser*innen entwickeln über die Hospitationen und den regelmäßigen Austausch untereinander ein Gespür für wichtige Vorleseprinzipien und Ablaufstrukturen.

Regelmäßig finden Fortbildungen für das gesamte Mulingula-Team, einschließlich der Koordinator*innen, mit professionellen Theaterpädagog*innen oder Erzähldidaktiker*innen statt. Dies sorgt nicht nur für neue Inputs und eine bessere Qualifizierung, sondern auch für einen guten Teamgeist und einen tragfähigen Zusammenhalt. Die Vorleser*innen fühlen sich über diese Fortbildungsangebote wertgeschätzt und entwickeln ein Bewusstsein für die Bedeutsamkeit und Qualität ihrer Arbeit.

Erzähldidaktische Fortbildung mit der Theaterpädagogin Susanne Timmermann, Fotos: Krystyna Strozyk

Konsequenz
Die Vorleser*innen bekommen auch die Zeit, die sie in Teamsitzungen, Hospitationen und Beratungsgespräche investieren, vergütet. Die Professionalisierung des Teams wird bei Mulingula sehr ernst genommen und dem Team nicht als zusätzliches Engagement abverlangt. Auch die Lehrkräfte, die als Koordinator*innen in den Schulen vor Ort für Mulingula tätig sind, bekommen für ihre Arbeit eine Stundenermäßigung. Diese Form der Anerkennung hebt das Anspruchsniveau der Arbeit deutlich und unterscheidet Mulingula von anderen Vorleseprojekten, die ehrenamtlich bestritten werden.

© Krystyna Strozyk