Gemeinsame mehrsprachige Leseaktivitäten für alle Kinder im Klassenverband

Um die Mulingula-Aktivitäten stärker mit dem Schulunterricht zu verknüpfen und um das interkulturelle Profil der Schule zu stärken, werden die sprachlichen Ressourcen der Mulingula-Vorleser*innen und der Mulingula-Kinder auch für den Kernunterricht und damit für alle Kinder genutzt. Dies geschieht über regelmäßig und bei Bedarf stattfindende zweisprachige Leseworkshops oder Parallel-Vorleseangebote in den Klassen in Kooperation mit den Mulingula-Vorleser*innen. Im Vorfeld entscheiden die Klassen- oder Deutschlehrer*innen sich in Abstimmung mit den Mulingula-Vorleser*innen für ein zwei- oder mehrsprachiges Kinderbuch.

Im Vordergrund steht bei beiden Vorgehensweisen, dass der Leseevent zu einer lebendigen Begegnung mit einer Fremdsprache wird, die vorrangig in der Klasse vertreten ist. Selbstverständlich erfahren auch die anderen im Klassenraum gesprochenen Sprachen Berücksichtigung, indem sie gezielt aufgegriffen und mit einbezogen werden.

Beispiel
In der Mulingula-Vorlesepraxis spielen u. a. die Schlüsselwörter eines Textes eine besondere Rolle. Sie werden auf Bildwortkarten, wie in dem nachfolgend abgebildeten Beispiel (Arabisch/Deutsch), angeboten und zur Textentlastung bereits häufig vor dem Vorlesen thematisiert (vgl. Kapitel 2.4 „Das Bilderbuchlesen“). So lernen die Kinder bereits zentrale Gegenstände, Figuren und Begriffe im Vorfeld kennen und können diese dann während des Vorlesevortrags besser in den Gesamtkontext der Geschichte einordnen.

Textentlastung über Bildwortkarten in einem zweisprachigen Vorleseworkshop, Foto: Fatma Murad

Grundsätzlich bietet es sich an, mit den Kindern einen mehrsprachigen Wortspeicher anzulegen, der dann um die Sprachen aller Kinder erweitert wird. Eltern sind in solchen Fällen besonders hilfsbereit, wenn sie direkt um Sprachbeiträge in ihrer Herkunftssprache gebeten werden, und übersetzen gerne. So kommen alle Sprachen zu Wort. Wichtig ist es, den Kindern, die nicht durch eine Mulingula-Sprache vertreten sind, genügend Raum für mündliche und schriftliche „Kostproben“ zu geben. Sie sollten die Gelegenheit erhalten, auch Kinderbücher, Zeitschriften und weiteres Schriftmaterial in ihrer Muttersprache mitzubringen. Grundsätzlich lassen sich auch Eltern für das zweisprachige Vorlesen gewinnen.

Beispiel
Die Erfahrungen bei Mulingula zeigen, dass die Kinder mit sehr großem Stolz ihr Erstsprachwissen einbringen, wenn sie dazu in animierenden und authentischen Lernsituationen aufgefordert werden. Eine Anschlusskommunikation an das Bilderbuch „Tschiep“ von Martin Baltscheit fordert dazu heraus, das eigene Sprachwissen zu zeigen. Der kleine Held in der Geschichte, ein aus dem Nest gefallener kleiner Vogel, lernt viele Tiersprachen, bevor er zu seiner Mutter zurückfindet. Deutschsprachige Kinder suchen in solchen Situationen, in denen Mehrsprachigkeit zum Thema wird, ihr eigenes Fremdsprachwissen ab und sind auch sehr stolz, wenn sie den „Hund“ auf Englisch benennen können.

© Krystyna Strozyk